
Autor: Florian Jürgs
George Orwells dystopischer Roman 1984, nach wie vor ein großes Werk der Literatur, schrumpft angesichts der algorithmisch überwachten Wirklichkeit von 2018 zu einer Gute-Nacht Geschichte. Hätte ein Zeitreisender dem Schriftsteller damals erzählt, wie es heute tatsächlich aussieht, hätte der ihn für verrückt erklärt. Science Fiction und reale Fakten sind längst miteinander verheiratet. Ehemals düster-futuristische Filmgeschichten wie die in Minority Report prägen unseren Alltag. In Metropolen wie Chicago, London, Paris, aber auch in München oder Frankfurt.
Die lückenlose Überwachung als selbstverständlicher, ja: als akzeptierter Teil der Hyperrealität von morgen? “Predicted Policing” nennt sich diese digitale Realität, maßgeblich geprägt von Softwarelösungen, die u.a. aufgrund von kriminellen Taten aus der Vergangenheit vorhersagen wie, wann und wo das nächste Verbrechen passieren wird. Algorithmen, die aus gigantischen Datensätzen heute bereits Listen mit den Namen der möglichen Mörder und Gewaltbereiter von morgen erstellen. Mitentwickelt von Forschern renommierter Universitäten. Digitale, selbst sich fortbildende Filter, um Menschen zu identifizieren, auf die sich die Polizei als künftige Kriminelle konzentrieren sollte. Sortiert nach Risikoclustern, Bezirken, Stadtteilen und Strassenblocks. Die dafür notwendigen Datenmengen liefern wir alle täglich selbst. Facebook, Google, Apple & Co verkaufen die Informationen über unser Verhalten an Regierungen und Geheimdienste, von dort aus geht es dann weiter an die zuständigen Behörden. Wo das hinführen könnte, belegt die herrschende Partei Chinas. Das “Social Credit System”, aktuell noch im Test, soll ab 2020 gestartet werden. Es überwacht, bewertet und erzieht die Menschen. Eine Art Live-Ranking für das gesamte gesellschaftliche Leben, mit Konsequenzen für den, der nicht brav mitspielt nach den Bedingungen des Regimes. Insofern bleibt George Orwells 1984 eben doch zeitlos.
Wer mehr dazu wissen möchte: Arte TV – Pre-Crime